Boris Pistorius zur Wiedereinführung des Wehrdienstes
Der Verteidigungsminister Boris Pistorius hat gestern, am 12.06.24, seine Pläne zur Wiedereinführung des Wehrdienstes in Deutschland vorgestellt. In einer Rede vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestages präsentierte er seine Vision eines neuen Dienstmodells, das auf die aktuellen sicherheitspolitischen Herausforderungen und den Personalmangel der Bundeswehr reagieren soll. Was genau die Pläne für den neuen Wehrdienst sind, erfährst du hier.
Gründe für die Wiedereinführung
Pistorius hob in seiner Rede die veränderte sicherheitspolitische Lage hervor. Die steigenden Spannungen mit Russland, die Bedrohung durch internationalen Terrorismus und Cyberangriffe sowie die zunehmenden internationalen Verpflichtungen der Bundeswehr machen eine Verstärkung der personellen Ressourcen notwendig. Ziel ist es, die aktuelle Personallücke von rund 20.000 Soldaten zu schließen und die Bundeswehr flexibler und reaktionsfähiger zu gestalten.
Rückblick: Die Wehrpflicht früher
Bis zu ihrer Aussetzung im Jahr 2011 war die Wehrpflicht ein fester Bestandteil der deutschen Verteidigungspolitik. Junge Männer wurden ab dem 18. Lebensjahr für einen Grundwehrdienst von zunächst 15 Monaten, später 12 und zuletzt 9 Monaten, eingezogen. Die Wehrpflicht diente nicht nur der militärischen Ausbildung und Landesverteidigung, sondern auch der Persönlichkeitsbildung und dem sozialen Lernen. Es gab auch die Möglichkeit, einen zivilen Ersatzdienst, den sogenannten Zivildienst, zu leisten, der in sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Pflegeheimen stattfand.
“Wir wollen nicht zurück, und das war auch nie Gegenstand der Überlegungen, zu der alten Wehrpflicht.” Pistorius
Kein Zurück in die Vergangenheit
Eine Rückkehr zum alten Wehrpflichtmodell komme aber nicht in Frage. Pistorius betonte, dass das neue Modell anders gestaltet werden müsse, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden. Ziel sei nicht die Einberufung aller jungen Menschen, sondern eine Auswahl, die sich an bestimmten Kriterien orientiere.
So sollen an alle Menschen im wehrdienstfähigen Alter Fragebögen verschickt werden, die grundsätzliche Fragen zu den Fähigkeiten, Motivationen und zur Bereitschaft für die Arbeit bei der Bundeswehr stellen. Nur wer eine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, wird auch zur Musterung eingeladen. Dort findet dann eine Auswahl der geeignetsten Bewerber statt.
Auswahl nach Fitness und Motivation
Wichtig zu wissen: Nicht alle, die Interesse an einem Dienst bei der Bundeswehr haben, werden auch zum Dienst herangezogen werden.
„Es sollen diejenigen für den Wehrdienst ausgewählt werden, die am fittesten, am geeignetsten und am motiviertesten sind“, erklärte Pistorius in seiner Rede.
Für den Eingang in die Bundeswehr erfolgt also weiterhin ein Bundeswehr Auswahlverfahren, das sicherstellen soll, dass nur diejenigen rekrutiert werden, die auch optimal ausgebildet werden können. Der Wehrdienst soll nicht einfach als Zeitabsitzen betrachtet werden, wie es früher oft der Fall war. Stattdessen soll er als Gelegenheit verstanden werden, Fähigkeiten zu erwerben, die später nicht so leicht zu erwerben sind.
Keine Zwangsverpflichtung
Ein zentrales Versprechen des neuen Wehrdienstmodells ist, dass niemand zum Dienst in der Bundeswehr gezwungen wird. Es bleibt also dabei: Niemand wird zum Dienst gezwungen und wer verweigert, muss auch keinen Dienst leisten. Lediglich das Ausfüllen des Fragebogens und die Musterung sind verpflichtend. Damit ähnelt das neue deutsche Wehrdienstmodell dem schwedischen Modell, das ebenfalls auf Freiwilligkeit bei der Auswahl seiner Rekruten setzt.
Wehrpflicht nur für Männer? Das steckt dahinter!
Das Ausfüllen des Fragebogens ist zunächst nur für Männer verpflichtend, für Frauen aktuell freiwillig. Verteidigungsminister Boris Pistorius begründet dieses Vorgehen damit, dass eine Verpflichtung für Frauen eine Grundgesetzänderung erfordere, die erfahrungsgemäß sehr zeitintensiv sei. Diese rechtliche Hürde macht es aktuell unmöglich, Frauen zur Teilnahme am Fragebogenverfahren und zur Musterung gegen ihren Willen heranzuziehen.
Die Möglichkeit, Frauen künftig zur Fragebogenausfüllung und Musterung zu verpflichten, steht jedoch weiterhin zur Diskussion und könnte durch eine entsprechende Gesetzesänderung auf den Weg gebracht werden. Bis dahin bleibt die Teilnahme am Musterungsverfahren für Frauen freiwillig.
Wehrdienst Dauer: Das ist geplant
Wer das Auswahlverfahren erfolgreich durchläuft und bereit ist, seinen Wehrdienst anzutreten, hat verschiedene Optionen. Geplant ist ein Grundwehrdienst von 6 Monaten, der eine Grundausbildung umfasst und Einsatzmöglichkeiten wie im Heimatschutz oder im Operationsplan Deutschland bietet. Wer sich für einen längeren Dienst entscheidet (bis zu 23 Monate möglich), soll tiefer in die Strukturen der Bundeswehr integriert werden und die Chance auf spezifische Ausbildungen, wie zum Beispiel in den Bereichen IT, elektronische Kampfführung und mehr erhalten.
Reaktionen und Kontroversen
Innerhalb der Bundeswehr und der politischen Landschaft gibt es gemischte Reaktionen auf die Ankündigung. Während einige die Pläne als notwendige Maßnahme zur Stärkung der Truppe sehen, gibt es auch Kritik und Zweifel an der Umsetzung.
Dietmar Bartsch von der Linkspartei z.B. kritisierte die Pläne scharf: “Der Vorschlag von Verteidigungsminister Boris Pistorius ist unausgegoren. Es ist weiter völlig unklar, wie eine solche Pflicht gestaltet und umgesetzt werden soll.”
CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte und CDU-Fraktionsvize Johann Wadephul hingegen befürchten, dass von den Plänen nur ein Werbebrief für die Bundeswehr übrig bleibt und fordern mehr konkrete Maßnahmen.
Klar ist, dass in den nächsten Wochen heftig über das neue Wehrdienstmodell diskutiert werden wird.
Was ist deine Meinung zum neuen Wehrdienstmodell von Pistorius? Tausche dich mit anderen in unserem Bundeswehr Forum aus!